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Staatsanwaltschaft: Umstrittene Chats waren nicht öffentlich und damit nicht strafbar

Suspendierte SEK-Polizisten zurück im Dienst

Bielefeld/Münster

Chats mit Hitlerbildern sowie rassistischen und frauenfeindlichen Inhalten haben für 16 Polizisten aus NRW keine schwerwiegenden Folgen – weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich. Das ist das Ergebnis der mehr als einjährigen Ermittlungen, die jetzt beendet wurden - mit Einstellungen.

Von Christian Althoff

Das Symbolfoto zeigt Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) bei einem Einsatz in Köln .
Das Symbolfoto zeigt Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) bei einem Einsatz in Köln . Foto: picture alliance / dpa

Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt, Sprecher der Staatsanwaltschaft Münster und stellvertretender Behördenleiter:  „15 Verfahren haben wir eingestellt, und beim 16. warten wir noch auf die Rückmeldung, ob der Beschuldigte mit einer Einstellung gegen eine vierstellige Geldauflage einverstanden ist.“

Acht SEK-Beamte, die im Juli 2022 suspendiert worden waren, seien wieder im Dienst, bestätigte zudem eine Sprecherin des Landesamtes für Fortbildung, Ausbildung und Personalangelegenheiten der Polizei (LAFP) in Selm.

Acht Polizisten suspendiert

Der Fall hatte Wellen bis in den Landtag geschlagen. 2021 war ein SEK-Beamter aus Münster aufgeflogen, der rechtsextreme Texte und Darstellungen in Chats gestellt hatte. Bei der Auswertung seines Handys entdeckte das Polizeipräsidium Münster, dass auch andere SEK-Beamte ähnliche Posts in einer WhatsApp-Gruppe geteilt hatten. Acht Polizisten wurden im Juli 2022 suspendiert, mussten ihre Waffen abgeben und bekamen Hausverbot.

Im Chats der „3er-Gruppe“ (offenbar benannt nach dem dritten SEK des Polizeipräsidiums Münster) wurden alle Muslime als Terroristen dargestellt, Flüchtlinge als Sexualstraftäter und Sodomisten. Es gab frauenverachtende Chats und solche, die Bezug auf das Dritte Reich nahmen – wie ein historisches Foto Adolf Hitlers mit Offizieren an einem Kartentisch und dem Text: „Keine Sorge, Jungs! Frankreich ist machbar“ – gepostet am 6. Juli 2016, einen Tag vor dem Halbfinale der Fußball-EM, das Deutschland 0:2 gegen Frankreich verlor.

Eines der vergleichsweise harmloseren Bilder, die Polizisten auf den Handys von SEK-Beamten fanden. 
Eines der vergleichsweise harmloseren Bilder, die Polizisten auf den Handys von SEK-Beamten fanden.  Foto: privat

Mit den Ermittlungen wurde aus Neutralitätsgründen das Polizeipräsidium Bielefeld beauftragt. Dort stieß man bei der Auswertung der Handys der acht Suspendierten im Herbst 2022 auch auf einige Dateien, deren Inhalte als sogenannte Kinder- und Jugendpornographie eingestuft wurden.

Es soll sich nicht um Gewaltdarstellungen, sondern sogenannte Posing-Bilder handeln. Sie waren von drei der acht SEK-Beamten in den Gruppenchat gestellt worden und gelangten so in den Besitz acht weiterer Polizisten, so dass sich die Zahl der beschuldigten Beamten auf 16 erhöhte. Zwölf gehörten zum Polizeipräsidium Münster und die anderen zum Polizeipräsidium Dortmund, zur Kreispolizei Steinfurt und zum LAFP.

„Chats waren nicht öffentlich“

Oberstaatsanwalt Botzenhardt: „Die meisten Verfahren sind eingestellt worden, weil Straftatbestände wie Volksverhetzung, Gewaltdarstellungen oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen das Merkmal der Öffentlichkeit voraussetzen. Hier handelte es sich aber um eine geschlossene Chatgruppe mit einer überschaubaren Zahl von Teilnehmern, die ausschließlich Polizisten waren und eine Verbindung zu dem konkreten SEK hatten.“ Somit seien die Inhalte nicht öffentlich gemacht worden und hätten auch nicht den öffentlichen Frieden stören können.

Willentlicher Besitz von Kinderpornos nicht nachzuweisen

Zu den kinder- und jugendpornographischen Darstellungen sagte Martin Botzenhardt, alleine aus der Mitgliedschaft in einer WhatsApp-Gruppe, in die möglicherweise verbotene Inhalte gestellt würden, könne noch nicht auf einen „Besitzwillen“ aller Gruppenmitglieder geschlossen werden. Einen „Besitzwillen“ hätte man möglicherweise unterstellen können, wenn jemand die Darstellungen zustimmend kommentiert hätte, aber so etwas war auf den Handys nicht zu finden.

So wurden 13 Verfahren mangels Tatverdachts eingestellt. Zwei weitere Polizisten haben Mitte Mai vierstellige Geldauflagen gezahlt, damit ihre Verfahren eingestellt wurden, und beim 16. Beschuldigten steht dessen Stellungnahme zu einem entsprechenden Vorschlag der Staatsanwaltschaft noch aus.

Kinderpornos: Darum ging es

Bei den drei Polizisten, die Geldauflagen gezahlt haben oder zahlen sollen, geht es um Kinder- und Jugendpornographie. Ein Polizist soll im Jahr 2018 Fotos und ein Video in den Chat gestellt haben, ein anderer 2017 ein Foto, und der dritte 2018 ein Video.

Polizisten droht keine Entlassung mehr

Nach Angaben des LAFP laufen noch disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen neun Beamte. Da aber die Suspendierten wieder im Dienst sind, steht eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarische Höchststrafe wohl nicht mehr im Raum.

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