Der Bundestag hat zusätzliche Befugnisse für das Bundeskartellamt beschlossen. Bei Verstößen gegen das Kartellrecht sollen Gewinne leichter abgeschöpft werden können. Im Extremfall soll auch die Zerschlagung von Konzernen möglich sein. Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von der größten Reform des Wettbewerbsrechts seit Jahrzehnten.  

Bereits die Vermutung, dass ein Verstoß gegen Wettbewerbsregeln "einen wirtschaftlichen Vorteil verursacht hat", soll künftig ausreichen, um Gewinne abzuschöpfen, heißt es in dem Gesetzestext. Die Höhe des "wirtschaftlichen Vorteils" muss zudem nicht mehr ermittelt, sondern kann geschätzt werden.

In Zukunft soll die Bonner Behörde nicht mehr auf einzelne Unternehmen, sondern auf Störungen im Markt achten. Im Anschluss an eine Sektorenprüfung sollen dann direkte Maßnahmen angeordnet werden können. In "Extremfällen" könnten Konzerne sogar zerschlagen werden.

Um mittelständische Unternehmen jedoch nicht zu benachteiligen, solle vor einem Eingriff des Kartellamts die Bedeutung des Unternehmens für den Markt geprüft werden. Zudem sollen Einsprüche gegen Entscheidungen des Kartellamts eine aufschiebende Wirkung haben. So sollen ungerechtfertigte Eingriffe in den Markt verhindert werden.

Für die Novelle des Gesetzes stimmten die Parteien der Ampel-Koalition, SPD, Grüne und FDP. Auch die Linken votierten dafür, während Union und die AfD dagegen stimmten. 

Habeck sieht "Meilenstein", Staatssekretär sieht EU am Zug

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte die Änderung des Gesetzes einen "Meilenstein" und erklärte, sie sorge für mehr Wettbewerb auf "vermachteten Märkten". Das sei auch für Verbraucherinnen und Verbraucher eine gute Nachricht, "denn mehr Wettbewerb sorgt für bessere Produkte und niedrigere Preise". Staatssekretär Sven Giegold ergänzte, dass nun auch das EU-Recht verschärft werden müsse: "Nun ist die EU-Kommission am Zuge, ihrerseits eine europäische Stärkung der Wettbewerbspolitik vorzuschlagen, wie sie international in vielen Staaten vorangetrieben wird."

Kritik an der Gesetzesänderung äußerte unter anderem die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK): Die Novelle sei ein Sonderweg außerhalb der EU-Vorgaben und statte das Kartellamt mit zu weitreichenden Befugnissen aus. Deutsche Unternehmen müssten selbst dann mit "gravierenden Eingriffen" des Kartellamts rechnen, wenn sie sich "völlig rechtmäßig" verhielten, sagte DIHK-Chefjustiziar Stephan Wernicke. 

Das Bundeswirtschaftsministerium hatte die Reform des Kartellrechts wegen der rasanten Preissteigerungen für Diesel und Benzin infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine im März 2022 angestoßen. Im April lag bereits ein Entwurf vor, der nun mit kleineren Änderungen beschlossen wurde.