Polizeipannen:"Haben Sie keine anderen Sorgen?"

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Immer mal wieder ein satirischer Aufreger: Jan Böhmermann, der Friedrich Merz (CDU) für dessen Worte zur AfD attackiert hatte. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Ein ZDF-Team zeigt in allen 16 Bundesländern strafrelevante Hassbotschaften im Netz an - nicht überall lässt die Polizei Ermittlungseifer erkennen. Politiker fordern nun, der Untätigkeit auf den Grund zu gehen.

Von Iris Mayer, Leipzig

Die offenkundigen Polizeipannen bei der Strafverfolgung von Hasskriminalität im Netz ziehen eine Reihe interner Ermittlungen gegen Beamte nach sich. Das ZDF Magazin Royale des Satirikers Jan Böhmermann hatte vergangenen Sommer sieben strafrechtlich relevante Hassbotschaften bei Polizeidienststellen in allen 16 Bundesländern anzuzeigen versucht und den meist zögerlichen Ermittlungsverlauf dokumentiert. Angezeigt wurden Morddrohungen, antisemitische Inhalte und die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und Slogans. Besonders negativ stachen in dem Experiment Polizeiwachen in Magdeburg und Bremen heraus.

Laut ZDF weigerte sich ein Beamter in Magdeburg, die Anzeige überhaupt aufzunehmen und empfahl: "vielleicht mal beim Verbraucherschutz nachfragen?" Auf Nachdruck sei die Rückfrage gekommen: "Haben Sie keine anderen Sorgen?" Am Samstag teilte die Polizeidirektion Magdeburg mit, man befinde sich "bereits in einer umfassenden Untersuchung des Sachverhalts" und habe ein Ermittlungsverfahren gegen einen Beamten wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt eingeleitet. Alle Polizeibeamtinnen und -beamten seien aufgefordert, "vorbildlich und rechtlich korrekt zu arbeiten".

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Erben, nannte das Verhalten des Polizeibeamten "besonders verstörend", man habe sich bundesweit blamiert. Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) müsse dies aufarbeiten lassen. Die Grünen forderten strukturelle Veränderungen bei der Bekämpfung von Hass im Netz. Das Ministerium sagte auf Nachfrage , Prävention und Aufklärung im Hinblick auf Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus seien bereits integraler Bestandteil von Ausbildung und Studium bei der Polizei, das Handeln des betreffenden Polizeibeamten "war und ist inakzeptabel".

Verdacht der Strafvereitelung im Amt

In Bremen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Polizeibeamten wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt. Dort soll der Polizist die Anzeige zwar aufgenommen, aber erst Monate später auf Nachfrage im System erfasst haben. Der betroffene Polizist wurde in den Innendienst versetzt. Man könne trotzdem nur darum bitten, in ähnlichen Fällen Strafanzeige zu erstatten, hieß es weiter.

Auch in Sachsen wurde die Polizei nicht aktiv, eine mündlich erstattete Anzeige des ZDF-Teams versandete. In einer Mitteilung der Leipziger Polizei hieß es am Wochenende: "Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass Fakt ist, was nicht sein darf!" Nun laufen Ermittlungen gegen unbekannt. Dass es auch anders geht, bewies die Polizei in Hessen. "In elf Minuten war alles erledigt", resümierten die Polizei-Tester vom ZDF Magazin Royale. "So einfach kann es gehen." Dort sei mindestens ein Tatverdächtiger angeklagt worden. In Baden-Württemberg wurde nicht nur prompt ermittelt, sondern im November 2021 bereits ein Urteil gesprochen: Das zuständige Amtsgericht Aalen verhängte eine Geldstrafe.

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