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Erasmus-Stiftung: Bund könnte AfD-nahe Stiftung mit Millionen-Betrag unterstützen

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Alice Weidel Erika Steinbach
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel und Erika Steinbach, Vorsitzende der Erasmus-Stiftung. © Sebastian Gollnow/dpa

Steuergelder für extrem rechte Forschung und Bildung: Die AfD-nahe Erasmus-Stiftung unter Leitung von Erika Steinbach könnte von Fördergeldern profitieren.

Frankfurt/Berlin – Man stelle sich vor, der Bund investiert jährlich 100 Millionen für politische Bildung und zahlt zeitgleich einen Betrag in Millionenhöhe für Bildung und Forschung in eine Stiftung ein, die der AfD nahesteht und von Erika Steinbach, einer der lauten rechtsextremen Stimmen in den sozialen Medien, geleitet wird. Was wie ein schlechter Scherz klingt, könnte schon bald Realität sein.

Wie es dazu kommen kann, zeigt eine Richtlinie des Bundestags. Nach dieser hat jede Partei, die es für mehrere Legislaturperioden nacheinander ins Parlament schafft, ein Anrecht auf Millionenzuschüsse für die ihnen nahestehenden Stiftungen. „Die Stiftungen bekommen ihr Geld in Abhängigkeit von den Wahlergebnissen ihrer Bezugsparteien, allerdings nicht unmittelbar entsprechend dem letzten Wahlergebnis, sondern man hat da einen Durchschnitt über die letzten drei bis vier Legislaturperioden“, erklärt es der Parteirechtsexperte Martin Morlok. Somit könnte auch die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung in den Genuss eines Millionen-Geldsegens kommen.

„Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich.“

Die in Frankfurt ansässige Bildungsstätte Anne Frank spart nicht mit deutlichen Worten, wenn es um die Einordnung der Erasmus-Stiftung geht. Die Pädagogische Leiterin des Bildungszentrums, Saba-Nur Cheema, etwa sagt: „Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich.“ Das mache sie „besonders gefährlich.“ Die Spitze der Stiftung setze sich zusammen aus „Rassentheoretikern und Verschwörungsideologen, völkischen Pseudowissenschaftlern und knallharten Rechtsextremen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und des Antaios-Verlags von Götz Kubitschek.“

Bildungsstätte Anne Frank: „Fallt nicht auf den Stiftungstrick herein!“

Die Vorstellung, dass diese rechtsextreme Stiftung jetzt ausgerechnet aus Bundesmitteln Zuschüsse in Millionenhöhe erhalten könnte, hält Saba-Nur Chema für „verheerend“. Sie befürchtet „Hunderte rechtsextremer Kader vom Schlag eines Björn Höcke“, die in „die Schulen, Universitäten, Museen, Gedenkstätten, YouTube-Kanäle und Leitmedien strömen“ würden. Mitte Januar startete die Bildungsstätte Anne Frank aus diesem Grund eine Informationskampagne und wirbt gegenüber dem Bundestag darum, dieser Finanzierung extrem rechter Forschung und Bildung mit einem Stiftungsgesetz einen Riegel vorzuschieben.

Auf Twitter veröffentlichte die Bildungsstätte ein Video mit den begleitenden Worten: „Die Erasmus-Stiftung der AfD - keine Stiftung wie jede andere. Fallt nicht auf den Stiftungstrick herein!“ Im Video setzen sich Prominente gegen die staatliche Förderung der rechtsextremen Forschung ein, darunter Naturschutzökologin und Kapitänin Carola Rackete, die ehemalige Vorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Margot Käßmann und Christoph Lübcke, Sohn des ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der einem rechtsradikalen Anschlag zum Opfer gefallen war.

Prominente warnen vor Bezuschussung der AfD-nahen Erasmus-Stiftung

Rackete warnt vor den Auswirkungen einer solchen Bezuschussung auf das friedliche Miteinander verschiedener Religionen und Kulturen in Deutschland: „Sollte die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung ab dem nächsten Jahr staatliche Förderung bekommen, befürchte ich, dass das den Rassismus weiter bestärken wird.“ Käßmann bestärkt diese Befürchtung: „Die Erasmus-Stiftung der AfD hetzt gegen den Islam und stachelt das Land gegen Muslime auf. So wird Dialog unmöglich gemacht.“

Christoph Lübcke appelliert an die Abgeordneten des Bundestages: „Keinen Millimeter Toleranz gegenüber Hass und Hetze! Ziehen Sie klare Grenzen, haben Sie eine Meinung, sagen Sie diese auch.“ Seine Worte heben sich schon deswegen besonders heraus, da der Stiftungs-Chefin Erika Steinbach (unter anderem vom Anwalt der Lübckes) vorgeworfen wird, mit einem Tweet eine Mitschuld am Mordanschlag auf Walter Lübcke zu tragen. Später löschte sie ihren Tweet und wies jegliche Mitschuld am Anschlag auf Lübcke vehement von sich.

Erika Steinbach, Vorsitzende der AfD-nahen Erasmus-Stiftung, twittert rassistische Bilder

Peter Tauber, ehemaliger Parteikollege der 2017 aus der CDU ausgetretenen Steinbach und Generalsekretär der Bundes-CDU von 2013 bis 2017 wollte sie daraufhin nicht aus ihrer Mitverantwortung entlassen. Tauber twitterte: „Liebe Erika Steinbach. ‚Es gibt keine Handlung für die niemand verantwortlich wäre.‘ hat Bismarck gesagt. In diesem Sinne bist Du natürlich verantwortlich für die Folgen und Reaktionen auf deine Hetze gegen Walter Lübcke. Du trägst Mitschuld an seinem Tod. Deine Reaktion zeigt: Du weißt das ganz genau. Und noch schlimmer ist, dass du ihn gekannt hast und weißt, was für ein aufrechter und feiner Kerl er war. Bis heute gibt es kein Wort der Trauer von Dir für ihn. Wohl nicht, weil das der Gipfel der Heuchelei wäre.“

Dass Steinbach, die auch mal ein Bild twittert, auf dem ein Weißes Kind umgeben von Schwarzen Menschen unter der Überschrift „Deutschland 2030“ gefragt wird, woher es denn komme, nun über einen Betrag in Millionenhöhe an Steuergeldern verfügen könnte, um damit Bildung und Forschung im Sinne einer solch rassistischen Ideologie zu fördern, ist für viele Menschen unerträglich. Dr. Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank sagt: „Wir haben so viel erreicht in der Demokratiebildung und in der Arbeit an der Erinnerung an die Shoah. Diese Arbeit ist jetzt gefährdet, wenn die Desiderius-Erasmus-Stiftung Millionen von Steuergeldern für ihre Zwecke bekommt.“ Kabarettist Max Uthoff („Die Anstalt“) ruft zum Widerstand gegen die staatliche Bezuschussung auf: „Wir müssen das verhindern!“ (Mirko Schmid)

In eigener Sache: In einer vorherigen Version des Artikels hatten wir geschrieben, dass der Erasmus-Stiftung 70 Millionen Euro aufgrund der jüngsten Wahlergebnisse zustehen könnten. Das ist nicht richtig. Bei der zu erwartenden Förderung wird es sich voraussichtlich lediglich um einen einstelligen Millionenbetrag handeln. 

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