Ein peinliches Urteil für den Emir von Dubai und seine Freunde im Westen

Ein Londoner Gericht hat Sheikh Mohammed für schuldig befunden, die Entführung und Folterung zweier seiner Töchter angeordnet zu haben. Hinweise darauf gab es schon lange, doch wurden sie von seinen Freunden in der High Society geflissentlich ignoriert.

Andrea Spalinger
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Sheikh Mohammed am Dubai World Cup, dem mit einem Preisgeld von über 10 Millionen Dollar höchstdotierten Pferderennen der Welt.

Sheikh Mohammed am Dubai World Cup, dem mit einem Preisgeld von über 10 Millionen Dollar höchstdotierten Pferderennen der Welt.

Francois Nel / Getty Images Europe

Nach aussen hin gab sich der Emir von Dubai als Mann von Welt. Im Nahen Osten bewunderte man Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktum als einen der Hauptverantwortlichen für die Transformation seines Emirats in einen internationalen Tourismus- und Business-Hub. Dubai erlebte unter ihm einen unvergleichlichen Bauboom. Mit dem Burj Khalifa wurde dort das höchste Gebäude, mit der Dubai Mall das grösste Shoppingcenter der Welt eröffnet. Und auch innerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate geniesst Sheikh Mohammed als Vizepräsident, Premierminister und Verteidigungsminister in Personalunion grossen Einfluss.

Ein geschätzter Förderer des Pferderennsports

Im Westen schätzt man den Milliardär vor allem als Förderer des Pferderennsports. Der Emir hat in Grossbritannien studiert und die Offiziersschule besucht und dabei auch die Liebe zum Reitsport entdeckt. Heute züchtet und trainiert er in den Emiraten, in England, Irland, Australien, Japan und den USA Pferde. Sein Rennstall ist der grösste weltweit und seine Pferdezucht eine der erfolgreichsten. Durch sie ist der Emir auch im Westen in erlauchte Kreise aufgestiegen. Am berühmten Royal Ascot etwa wurde er wiederholt an der Seite von Königin Elizabeth gesichtet.

Doch seit vielen Jahren kursieren auch Berichte über die weniger glamouröse Seite des Golfherrschers. Sheikh Mohammed hat 23 Kinder von sechs Ehefrauen. Schon vor 18 Jahren deckte der «Guardian» auf, dass der Emir eine seiner erwachsenen Töchter in Grossbritannien kidnappen und nach Dubai zurückbringen liess. In den letzten Jahren häuften sich dann die unschönen Nachrichten aus dem Königshaus. Die einflussreichen britischen Freunde des Emirs schauten aber lieber weg, und auch die Behörden wollten sich offenbar nicht mit einem so reichen und mächtigen Mann anlegen.

Von der Lieblingsfrau verraten

Dies änderte sich erst, als der Lieblingsfrau des Emirs dessen Treiben zu bunt wurde und sich ein britisches Gericht gezwungen sah, sich mit dem Thema zu befassen. Im vergangenen April floh Prinzessin Haya bint al-Hussain, die sechste und jüngste Ehefrau des Scheichs, mit ihren 7 und 11 Jahre alten Kindern über Deutschland nach Grossbritannien. Im Juli beantragte sie vor einem Londoner Gericht Schutz und das alleinige Sorgerecht. Bei den Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit nahmen die Richter auch das fragwürdige Verhalten des Emirs gegenüber den Töchtern unter die Lupe.

Nun hat der Londoner High Court in mehreren Urteilen die Vorwürfe der mittlerweile geschiedenen Ehefrau und anderer Zeugen bestätigt. Der arabische Herrscher habe zwei seiner Töchter, die versucht hatten, ins Ausland zu flüchten, entführen, nach Dubai zurückbringen und dort teilweise unter unmenschlichen Bedingungen einsperren lassen, stellten die Richter fest. Als sich Prinzessin Haya für die jungen Frauen eingesetzt habe, sei auch sie ins Visier des Emirs geraten und mit dem Tod bedroht worden.

Die 45-jährige Prinzessin Haya ist die Tochter des verstorbenen jordanischen Königs Hussain und die Halbschwester von König Abdallah II. Sie hatte den heute 70-jährigen Sheikh Mohammed 2004 geheiratet, zwei Jahre bevor dieser nach dem Tod seines Bruders die Macht in Dubai übernahm. Die beiden verband die Leidenschaft für den Pferdesport. Haya war in jungen Jahren Profi-Reiterin und hatte Jordanien an den Olympischen Spielen 2000 in Sydney vertreten.

Eine spektakuläre Flucht

Bis vor zwei Jahren erhielt Haya das Bild einer perfekten Ehe aufrecht und wies alle Gerüchte über familiäre Probleme im Königshaus entschieden zurück. Dann unternahm Sheikha Latifa, die 35-jährige Tochter einer der anderen Ehefrauen, im Februar 2018 einen spektakulären Fluchtversuch. Mit der Hilfe einer finnischen Freundin und eines ehemaligen französischen Spions verliess sie auf einer Jacht das Land, wurde vor der indischen Küste jedoch von einem Sonderkommando gestoppt und gewaltsam nach Dubai zurückgebracht.

Auf einem im Internet veröffentlichten Video, das sie vor dem Fluchtversuch aufgezeichnet hatte, warf Sheikha Latifa ihrem Vater vor, sie nach einem ersten Fluchtversuch 2002 mehrere Jahre eingesperrt zu haben, wobei sie auch körperlich misshandelt worden sei. Sie kritisierte auch das «grosse Ego» ihres Vaters und warf ihm vor, für die Bewahrung seines Rufs auch zu morden. Auch ihre 38-jährige Schwester Sheikha Shamsa hatte im Jahr 2000 vergeblich versucht, sich in Grossbritannien abzusetzen. Sie wurde in Cambridge entführt und nach Dubai zurückgebracht.

Selbst nach der letzten Flucht von Latifa hatte Haya ihren Ehemann noch öffentlich verteidigt. Der Vorfall wurde als verhinderte Entführung und Lösegelderpressung dargestellt. Die Prinzessin lud gar die frühere Uno-Menschenrechtskommissarin Mary Robinson nach Dubai ein, um zu beweisen, dass es der Stieftochter gutgehe. Menschenrechtsaktivisten äussersten sich sehr kritisch über den fragwürdigen Besuch von Robinson, der von den Emiraten zu Propagandazwecken ausgeschlachtet wurde.

Ende 2018 sollen Haya dann aber doch ernsthafte Zweifel an der Version des Emirs gekommen sein. Und als sie diese zu hinterfragen begann, wurde sie selbst zum Ziel von Einschüchterungen. Etwa gleichzeitig soll die Prinzessin eine Affäre mit ihrem britischen Bodyguard begonnen haben. Und so flüchtete sie nach London, wo sie sich laut britischen Medienberichten nun in einem Haus in der Nähe des Kensington Palace versteckt, das rund 100 Millionen Dollar gekostet haben soll.

Der Emir hat sich zur Flucht seiner einstigen Lieblingsfrau nie offiziell geäussert. In einem wütenden Gedicht hat er aber eine nicht namentlich genannte Frau des «Betrugs» bezichtigt und mit dem Tod bedroht. Da sein abscheulicher Umgang mit seinen zwei freiheitsliebenden erwachsenen Töchtern nun gerichtlich bestätigt ist, bleibt nur zu hoffen, dass der Emir von der High Society in London und anderen westlichen Metropolen künftig nicht mehr derart bedenkenlos hofiert wird.