Erding:Ersatz für den Kommunal Pass gesucht

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Sieht zwar normal aus, war aber eine Spezialangelegenheit, die es in ganz Bayern nur im Landkreis Erding gab: Der Kommunal Pass für Geflüchtete.

(Foto: Daller/oh)

Die bayernweit einzigartige Flüchtlings-Geldkarte funktioniert seit drei Monaten nicht mehr. Das Landratsamt hat den Vertrag offenbar noch nicht gekündigt, prüft aber als Alternativen "Banküberweisungen, weiterhin Barauszahlungen und Sachmittelgutscheine"

Von Florian Tempel, Erding

Die Kommunal Pass genannte Geldkarte für geflüchtete Menschen, die von den Unternehmen Sodexo und Wirecard herausgegeben wurde, funktioniert seit der Wirecard-Pleite im Juni nicht mehr. Die monatlichen Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind den Geflüchteten seitdem schon dreimal bar im Landratsamt ausgezahlt worden. Betroffen sind etwa 350 Alleinstehende und Familien, die früher das Geld auf ihre Kommunal Pass-Karte gutschrieben bekommen hatten, bevor sie es dann kostenpflichtig an einem Geldautomaten abheben konnten. Wie geht es mit der bayernweit einzigartigen Erdinger Flüchtlings-Geldkarte weiter? Dazu gibt es aus dem Landratsamt keine klare Aussage. Auf die Frage, ob man die Zusammenarbeit mit Sodexo nicht einfach kündigen könne, heißt es, das seien "vertragliche Details", zu denen man keine Auskunft geben dürfe. Die Alternativen die man derzeit prüfe, wären "Banküberweisung, weiterhin Barauszahlung und Sachmittelgutscheine."

Ob das Landratsamt freilich hofft, dass sich der Kommunal Pass reparieren ließe, wird auch nicht klar. "Der Kommunal Pass wurde von Sodexo zur Verfügung gestellt; daher liegt dort auch die Verantwortung für einen Weiterbetrieb", heißt es. Man sei in Kontakt, doch auch nach drei Monaten sei "alles weitere noch offen".

Die als Alternative an erster Stelle genannten Banküberweisungen fordern die Kritiker des Kommunal Pass, die ihn als überflüssige und teure Fehlkonstruktion beklagen, schon seit Jahren. Überweisungen wären kein Problem. Denn seit dem Jahr 2016, als der Kommunal Pass im Landkreis eingeführt wurde, ist es durch Gesetz jedem in Deutschland garantiert, bei einer Bank seiner Wahl ein Konto zu eröffnen. Mit Barauszahlungen im Landratsamt dauerhaft weiterzumachen erscheint nicht nur unzeitgemäß. Der Kommunal Pass wurde seinerzeit auch mit der Begründung eingeführt, die für alle Seiten aufwendigen Bargeldauszahlungen endlich verzichtbar zu machen. Dass die an dritter Stelle genannten "Sachmittelgutscheine" eine vernünftige Lösung wären, erscheint zwar vollends wie ein Gedanke aus einer vergangenen Welt. Es ist aber offensichtlich eine ernst gemeinte Option, die sich womöglich erneut mit Sodexo umsetzen ließe.

Ein Unternehmenssprecher von Sodexo teilt mit, man prüfe derzeit "alternative Lösungen". Die könnten "Papier-, Karten- und online-basiert" sein. Auf der Internetpräsenz von Sodexo findet sich der Kommunal Pass nicht mehr. Stattdessen wird jedoch der sogenannte Wertgutschein Pass angeboten, mit dem Sozialleistungen unbar geleistet werden können. Zur Erläuterung heißt es unter der Überschrift "intelligente und konsequente Lösungen": "Das Sodexo Wertgutschein Pass-System wird von den Sozialverwaltungen oder dem Jobcenter der Kommunen ausgegeben und kann bei vereinbarten Akzeptanzpartnern aus dem Einzelhandel zum Beispiel für den Einkauf von Lebensmitteln, Kleidung und anderen vereinbarten Warenkategorien genutzt werden." Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) war 2016 vom Sodexo-Kommunal Pass auch deshalb so überzeugt, weil er eine Möglichkeit darstellte, geflüchtete Menschen ganz vom Bargeldbesitz abzuschneiden. Sein Credo in der lokalen Asylpolitik hieß damals, "Bargeld schafft falsche Anreize". Die damals 1400 Flüchtlinge im Landkreis hatten nach der Einführung des Kommunal Pass tatsächlich erst einmal gar kein Bargeld mehr. Erst einige Zeit später wurden wenigstens teilweise Abhebungen an Geldautomaten möglich. Seit dem Jahr 2018 war schließlich der gesamte Betrag bar auszahlbar.

Die Sodexo Group, die damit wirbt, "Lösungen für eine effektive Verwaltungsarbeit" anzubieten, ist eine börsennotierte französische Holding mit Tochterfirmen auf allen Kontinenten, einem Jahresumsatz von etwa 20 Milliarden Euro und weltweit 460 000 Mitarbeitern. Auf der zentralen Sodexo-Homepage wird in blumigen Worten das Firmenselbstverständnis beschrieben: "Die Verbesserung der Lebensqualität ist mehr als nur ein Wunsch. Für Sodexo ist es eine Mission. Unser Ziel ist es, weltweit Positives zu bewegen und eine Milliarde Verbraucher zu begeistern." Zum breiten unternehmerischen Tätigkeitsfeld gehören neben Bezahlkarten unter anderem Mensa-Catering für Schulen oder Militärbasen. In Großbritannien betreibt Sodexo fünf Gefängnisse mit 5000 Inhaftierten, darunter 800 Frauen.

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