Zum Inhalt springen

735 Abgeordnete Das ist der neue XXL-Bundestag

So groß wie noch nie, deutlich jünger und etwas weiblicher: Im neuen Parlament kommt es zu teils spürbaren Verschiebungen. Wer vertritt uns künftig? Die große SPIEGEL-Datenanalyse.

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Während die Parteien um die Zusammensetzung der künftigen Bundesregierung ringen, ist eine andere Entscheidung mit der Wahl am Sonntag schon gefallen: wer in der 20. Wahlperiode in den Deutschen Bundestag einziehen wird. In voraussichtlich knapp einem Monat werden die neuen Volksvertreterinnen und -vertreter zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Eine SPIEGEL-Auswertung zeigt, wer die Frauen und Männer sind, die die Bevölkerung in Deutschland künftig vertreten.

Diese Auswertung basiert auf dem vorläufigen Ergebnis  der Bundestagswahl sowie auf der Liste der zur Wahl angetretenen Kandidatinnen und Kandidaten  des Bundeswahlleiters. Nach Feststellung des endgültigen Ergebnisses im Oktober kann es zu minimalen Veränderungen kommen, ferner könnten einzelne gewählte Personen darauf verzichten, ihr Mandat anzunehmen. Historische Werte stammen aus dem Datenhandbuch des Bundestags .

1. So groß wie noch nie

Dem neuen Bundestag werden voraussichtlich 735 Abgeordnete angehören – so viele wie noch nie. Schuld ist das komplexe deutsche Wahlrecht, das zu vielen Überhang- und Ausgleichsmandaten führen kann (Lesen Sie hier , wie die zusätzlichen Sitze zustande kommen und warum eine umfassende Wahlrechtsreform gescheitert ist).

Damit liegt der Bundestag nun 137 Sitze über seiner seit 2002 geltenden Regelgröße von 598. Zuvor lag die Regelgröße bei 656 Abgeordneten. Seit der Wahl 2013 werden die Überhangmandate einer Partei mit zusätzlichen Mandaten für die anderen Parteien ausgeglichen, sodass die Mehrheitsverhältnisse im Parlament dem Zweitstimmenergebnis entsprechen.

2. Frauenanteil steigt

Wie repräsentativ muss der Bundestag sein, um die Bevölkerung repräsentieren zu können? Wie viele Menschen aus Einwandererfamilien, wie viele Junge und Alte, wie viele Frauen sollten ihm angehören? Das Bundestagswahlrecht kennt hier keine Vorgaben. Studien belegen, dass die Interessen von Bevölkerungsgruppen besser vertreten werden, wenn diese auch in Parlamenten sitzen und mitentscheiden.

Dementsprechend groß war der Aufschrei, als vor vier Jahren der Frauenanteil im Bundestag auf den niedrigsten Stand seit der Wahl 1998 fiel. In diesem Jahr wird der Anteil nun wieder steigen, von 31 auf knapp 35 Prozent – etwas weniger als der bisherige Höchstwert nach der Wahl 2013 (36 Prozent).

Ganz überraschend kommt der Anstieg nicht: Alle im Bundestag vertretenen Parteien haben den Frauenanteil auf ihren Landeslisten und unter den Direktkandidaturen erhöht. Zudem stellen die Grünen künftig eine deutlich größere Fraktion als zuletzt – bei ihnen sind paritätisch besetzte Listen seit Langem vorgeschrieben (Lesen Sie hier , wie die Parteien den Frauenanteil bei den Kandidaturen erhöht haben).

Neben den Grünen hat auch die Linke einen traditionell hohen Frauenanteil in ihrer Fraktion. Und auch bei der SPD liegt der Anteil seit Jahrzehnten über dem Parlamentsschnitt. Union und FDP haben deutlich männlicher geprägte Fraktionen, gerade mal knapp jedes vierte Mitglied ist eine Frau. Noch weniger sind es bei der AfD, wo der Frauenanteil bei voraussichtlich 13 Prozent liegen wird.

3. Mehr Jüngere

SPD und Grüne haben bei dieser Wahl viele junge Politikerinnen und Politiker ins Rennen geschickt – das verjüngt ihre Fraktionen deutlich. Weil sie zudem gegenüber der vergangenen Wahlperiode viele Sitze hinzugewinnen konnten, wirkt sich das spürbar auf das gesamte Parlament aus: Das Durchschnittsalter liegt jetzt bei voraussichtlich 47,5 Jahren – so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Die Verschiebung zeigt sich auch in den Altersgruppen: Ein Viertel der neuen Abgeordneten ist jünger als 40 Jahre. 47 Abgeordnete (sechs Prozent) sind unter 30 Jahre – die meisten bei Grünen und SPD.

Die jüngsten Parlamentarier sind Milla Fester und Niklas Wagener – beide 23 Jahre alt und bei den Grünen. Der einzige U30-Abgeordnete mit Erfahrung im Bundestag ist Philipp Amthor (28 Jahre), der zwar sein Direktmandat verloren hat, aber als Spitzenkandidat der CDU in Mecklenburg-Vorpommern über die Landesliste ins Parlament einzieht.

Die ältesten Abgeordneten im neuen Bundestag sind Alexander Gauland (AfD, 80 Jahre), Albrecht Glaser (AfD, 79 Jahre) und der bisherige Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU, 79 Jahre).

4. Viel kaufmännische und juristische Expertise

Juristen, Unternehmerinnen, Berater, Beamtinnen – gewisse Berufsgruppen waren in den zurückliegenden Wahlperioden stets besonders stark im Bundestag vertreten. Wie die Verteilung im neuen Parlament aussieht, wird sich erst in ein paar Monaten genau aufschlüsseln lassen, wenn der Bundestag seine eigene Erhebung durchgeführt hat.

Einen ersten Eindruck vermitteln aber auch die Daten des Bundeswahlleiters. Auch dort sind die Berufe der Kandidatinnen und Kandidaten aufgeführt – wenn auch in deutlich gröbere Gruppen zusammengefasst.

Besonders häufig kommen die Abgeordneten des neuen Bundestags demnach aus Berufen »in Unternehmensführung und -organisation« – eine sehr breit gefasste Gruppe, in die unter anderem verschiedene kaufmännische Berufe fallen.

Ebenfalls stark vertreten sind wieder »Berufe in Recht und Verwaltung«. Kaum vertreten sind Gruppen wie etwa »Mechatronik-, Energie- und Elektroberufe« oder »Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufe«.

5. Neu-Parlamentarier

Der Anteil neuer Abgeordneter, die erstmals im Bundestag sitzen, ist gegenüber 2017 gleich geblieben. Schaut man sich die Entwicklungen in den Fraktionen an, fällt aber auf, dass diese sehr unterschiedlich ausfallen – und sich gegenseitig ausgleichen.

Bei SPD und Grünen steigen die Anteile wegen der vielen Jung-Politikerinnen und -Politiker deutlich an: Rund die Hälfte der künftigen Parlamentarier in beiden Fraktionen ist neu im Bundestag.

Bei FDP und AfD sinkt der Anteil neuer Abgeordneter hingegen stark. Das liegt an den hohen Anteilen 2017, als beide Parteien neu ins Parlament eingezogen sind – die FDP nach vier Jahren in der außerparlamentarischen Opposition, die AfD zum allerersten Mal überhaupt. Immer, wenn Parteien eine ganz neue Fraktion stellen, schießt ihr Anteil neuer Abgeordneter nach oben. So auch geschehen bei der Linken 2005 (damals noch »Linkspartei PDS«), nachdem die PDS bei der Wahl 2002 an der Fünfprozenthürde gescheitert war.

Wenn sich der Bundestag im Oktober konstituiert hat, wird die Parlamentsverwaltung auch selbst noch einmal eine statistische Erhebung durchführen. Für frühere Wahlperioden liegen etwa Daten zu Bildungsabschlüssen, Konfessionen und Familienstand  vor.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.