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Gegen den A100-Ausbau protestierten 2011 Mieter zweier Häuser in der Beermannstraße. Letztlich wurden die Häuser abgerissen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Wegen A100-Ausbau enteignet: Weil zwei Behörden streiten, gehen Berliner Mieter leer aus

Als ihre Häuser in Treptow dem Weiterbau der A100 im Weg standen, mussten die Mieter raus. Auf die Entschädigung warten sie seit mehr als sechs Jahren.

Berliner Mieter, die wegen des Baus des 16. Bauabschnitts der Stadtautobahn A100 ihre Wohnung verloren haben, warten seit mehr als sechs Jahren auf eine Entschädigung. Grund ist ein Streit zwischen dem Bund und der Berliner Enteignungsbehörde. Das geht aus der Antwort der Senatsverkehrsverwaltung auf eine noch unveröffentlichte Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (Grüne) hervor, die dem Tagesspiegel vorab vorliegt.

Demnach geht die in dem Thema zuständige Bundesstraßenverwaltung gerichtlich gegen Entscheidungen der Berliner Enteignungsbehörde vor. „Die Entschädigung für die jeweiligen ehemaligen Mieterinnen und Mieter ist noch nicht abschließend geklärt“, teilt die von Senatorin Regine Günther (Grüne) geführte Senatsverkehrsverwaltung mit.

In den Fällen geht es um die ehemaligen Bewohner der Häuser an der Beermannstraße 20 und 22 in Treptow. Diese mussten im Zuge des Baus des 16. Bauabschnitts der A100 abgerissen werden.

Den Mietern wurde gekündigt, mehrere legten dagegen Rechtsmittel ein, die Verfahren landeten vor Gericht. Ohne den Ausgang abzuwarten und um den Fortschritt beim A100-Bau zu beschleunigen, entzog die Berliner Enteignungsbehörde den Menschen im Februar 2015 das Wohnrecht – sie galten laut Behörde damit als enteignet.

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Um den entstandenen Schaden auszugleichen, erhielten sie neue Wohnungen, jedoch mit höheren Mieten. Die Differenz sollte laut Enteignungsbehörde der Bund zahlen. Für einen Zeitraum von 191 Monaten, knapp 16 Jahre, der durchschnittlichen Mietdauer in Berlin. Im Falle eines Mieters betrug die Differenz 130 Euro im Monat, wie aus dem Antrag auf Besitzeinweisung hervorgeht, der dem Tagesspiegel vorliegt. Die maximalen Ausgleichszahlungen betragen damit 24.830 Euro.

„Das ist ein Skandal sondergleichen“

Doch gegen diese Regelung der Enteignungsbehörde erhob der Bund, vertreten durch die damalige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, in allen Fällen Klage. Argumentiert wird, dass die Immobilien zuvor vom Bund erworben wurden und die Bewohner Kündigungen erhielten. Diese seien aber „schwebend unwirksam“ gewesen, so die Enteignungsbehörde. Deshalb sollen die Mieter entschädigt werden.

Die Bundesstraßenverwaltung, die mittlerweile die Interessen des Bundes in dieser Frage vertritt, hält weiterhin dagegen. Sie führt bis heute sechs Gerichtsverfahren.

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„Bisher gibt es in keinem der sechs anhängigen Verfahren eine rechtskräftige Entscheidung“, erklärt die Verkehrsverwaltung. In fünf Verfahren habe das Verwaltungsgericht Berlin noch nicht entschieden. In einem Verfahren gaben die Richter dem Bund recht. Die Enteignungsbehörde hat dagegen Rechtsmittel eingelegt. Ob es zu einem Berufungsverfahren kommt, ist noch offen.

„Das ist ein Skandal sondergleichen, wie da mit den Bürgern umgegangen wird“, kommentierte Moritz das Vorgehen des Bundes. Für die Staatskasse seien es kleine Beträge, die den Bewohnern verweigert würden. „Die Betroffenen sind die Leidtragenden, weil sie ihre Entschädigungen nicht bekommen und auch ihre Anwaltskosten zu tragen haben.“

Dem Bund gehe es darum, einen Präzedenzfall zu vermeiden, sagte der Verkehrspolitiker. Sonst könnten in ähnlichen Fällen künftig wieder Kosten drohen. „Die Anwaltskosten sind bald höher als die Entschädigungssumme“, sagt er. Bislang lägen diese bei 4500 Euro, teilte die Verkehrsverwaltung mit.

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