Die SPD ist verärgert über das überraschende Ja von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt zu einer weiteren Zulassung des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat in der EU. Das Votum des CSU-Ministers sei ein "glatter Vertrauensbruch" und widerspreche auch der Geschäftsordnung der Bundesregierung, sagte Vizechef Ralf Stegner in der ARD und sprach von einem "ordentlichen Schlag ins Kontor". Da die SPD vorher klar Nein zu einer weiteren Zulassung gesagt habe, hätte Schmidt sich in dem EU-Gremium enthalten müssen.

"Muss ich auf meine Kappe nehmen"

Am Montag hatte die EU-Kommission die Verwendung von Glyphosat für weitere fünf Jahre erlaubt. Anders als bisher stimmte diesmal auch Deutschland dafür. Die Bundesregierung, die seit der Bundestagswahl nur noch geschäftsführend im Amt ist, ist sich in dieser Frage nicht einig. Das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium war für eine weitere Zulassung, das SPD-geführte Umweltministerium um Ressortchefin Barbara Hendricks dagegen. Wegen dieses Widerspruchs enthielten sich deutsche Vertreter bei den bisherigen Abstimmungen – ein wesentlicher Grund dafür, dass bislang weder für noch gegen die Zulassung die nötige Mehrheit der Mitgliedsstaaten zustande kam.

Schmidt rechtfertigte sein Ja mit "wichtigen Verbesserungen zum Schutze der Pflanzen- und Tierwelt" und räumte ein, sich allein entschlossen zu haben. "Ich habe die Entscheidung für mich getroffen und in meiner Ressortverantwortung", sagte der CSU-Politiker im ARD-Morgenmagazin und trat damit Spekulationen entgegen, er habe in Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehandelt. Zudem sei sein Beschluss "rein sachorientiert" gewesen. So habe er erreicht, den Glyphosat-Einsatz "für privaten Gebrauch und für andere Gebräuche zu reduzieren". Dies sei mehr, "als von allen beteiligten Ressorts jemals verlangt worden ist". Zur Kritik der SPD sagte er: "Das sind Dinge, die ich auf meine Kappe nehmen muss."

"Die Kanzlerin ist am Zug"

So wie ihr Parteikollege Stegner sprach auch Bundesumweltministerin Hendricks von einem "eklatanten Vertrauensbruch" und forderte eine deutliche Reaktion von Merkel. "Ich glaube, die Kanzlerin ist am Zuge. Sie muss etwas unternehmen, um diesen Vertrauensverlust zu heilen. Man kann so nicht regieren. Das geht einfach nicht", sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Auf eine konkrete Maßnahme wie etwa die Entlassung des Kabinettskollegen wollte sie sich indes nicht festlegen. "Ich finde, die Kanzlerin sollte in eigener Verantwortung entscheiden, wie Vertrauen zurückgewonnen werden kann."

Hendricks stellte sich auch gegen Schmidts Aussage, wonach die EU-Kommission auch ohne die Zustimmung Deutschlands entsprechend entschieden hätte: "Fünf Jahre wären mindestens gekommen", hatte er in der ARD gesagt. Die Umweltministerin hingegen argumentierte, die Behörden in Brüssel hätten offensichtlich nicht im Alleingang entscheiden wollen. Daher sei es alles andere als sicher, ob sie diese schwerwiegende politische Entscheidung alleine getroffen hätte. "Christian Schmidt hat jetzt für die Kommission die Kohlen aus dem Feuer geholt – gegen unsere Absprache."

Nach Auffassung von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles diene das Votum des CSU-Ministers nicht den laufenden Gesprächen über die Bildung einer neuen Regierung, die die Parteien auf Wunsch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier führen werden. An diesem Donnerstag treffen sich die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD auf Einladung des Staatsoberhaupts im Berliner Schloss Bellevue. Sie frage sich, ob die Kanzlerin ihre Leute noch im Griff habe, sagte Nahles.

Koalitionsfähigkeit fraglich

Auch die Grünen fordern Aufklärung und nennen das Votum – wie etwa die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast – einen "ungeheuren Vorgang". Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann richtete eine schriftliche Frage an die Bundesregierung, um zu klären, wer welche Weisung an den deutschen Vertreter im zuständigen EU-Gremium erteilt habe. Laut Künast müsste die Kanzlerin ihren Minister entlassen, sollte sie tatsächlich nicht in sein Stimmverhalten eingeweiht gewesen sein.

Auch die FDP forderte Merkel auf, die Unstimmigkeiten rasch aufzuklären. "Die vorsätzliche Verletzung der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung stellt die Koalitionsfähigkeit als solche infrage", sagte Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann.